Ziel des städtebaulichen Wettbewerbs zur Umgestaltung des Stadtraums der B14 war es, eine Idee zu entwickeln welche Stadt Stuttgart im Jahr 2050 sein möchte. Ziel war es auch, dem Paradigmenwechsel hin zu einer gleichberechtigten Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen am öffentlichen Raum der Stadt, Rechnung zu tragen.
Wir haben unseren Beitrag zum Wettbewerb für den Umbau der B14 in Stuttgart Kintsugi genannt, in Anlehnung an eine japanische radition der Reparatur mit sichtbarem hochwertigen Kitt. Kriegsschäden, vor allem aber die direkt im Anschluss begonnene und über Jahrzehnte weitergeführte, konsequent dem Ideal der autogerechten Stadt unterworfene Planung, haben die B14 als Bresche quer durch das gewachsene Zentrum Stuttgarts geschlagen. Mit teilweise knapp 60 m Breite trennt die von bis zu 110.000 Fahrzeugen täglich in Anspruch genommene Schneise Stuttgart in zwei Teile. Diese Trennung wirkt sowohl räumlich, weil die Kanten des noch relativ intakten angrenzenden städtischen Gefüges um ein sämtliche Maßstäbe sprengendes Maß auseinandergetrieben wurden, als auch funktional, weil eine Querung des ununterbrochen fließenden motorisierten Verkehrs für Fußgänger und Radfahrer – aber selbst für PKW – nur punktuell und meist nur unterirdisch möglich ist.
So dysfunktional die vorhandene Schneise auch ist, bietet sie durch eine intelligente Umwidmung auch die Chance auf einen neuen, hochwertigen urbanen Raum, der nahezu die gesamte Stadt verbinden könnte. Als Grundprämisse zu diesem Zweck steht zunächst die durch zahlreiche Studien und Gutachten und nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit dem Büro Stadtraumverkehr gesicherte Erkenntnis, dass eine Reduktion des sg. „motorisierten Individualverkehres“ um mindestens 50% bei flächendeckendem Tempo 30 möglich und notwendig ist. Sie ist dann ohne Verzicht auf Erreichbarkeiten, Wohn- und Aufenthaltsqualität, sondern im Gegenteil mit Gewinn für alle Beteiligten möglich, wenn – so unsere Grundüberzeugung – die Neugewichtung und Neuverteilung städtischer Verkehrsräume eingeflochten wird in ein weitreichendes Netz an alternativen Angeboten und intelligenten räumlichen und architektonischen Maßnahmen.
In diesem Sinne schlägt unser Beitrag vor, die weit auseinanderklaffenden Wundränder der B14 durch neue Stadtbausteine aufzufüllen. Als Vorlage und Orientierung kann dabei, der historische Stadtgrundriss dienen, dessen Dichte und Weite dem menschlichem Maßstab viel mehr entsprechen als der Status quo.
Es geht dabei keinesfalls um die Rekonstruktion der historischen Stadt. Vielmehr sollen ihre vornehmlich räumlichen Qualitäten dort wiederhergestellt werden, wo sie den modernen Anforderungen entsprechen oder sich mit ihnen vereinbaren lassen. Wo sie dies nicht tun, werden andere, neue, moderne Räume vorgeschlagen.
Der neue Straßenzug ist zwar großstädtisch dimensioniert, jedoch viel schmaler als derzeit. Dadurch werden die querenden Nebenstraßen wieder zu nutzbaren Verbindungen und durchgängig erfahrbaren Räumen vernäht.
Gleichermaßen wird vorgeschlagen den Verkehr in der Stadt grundsätzlich ebenerdig zu führen werden, weil Brücken und Rampen Barrieren bilden und den Stadtraum beeinträchtigen. Im Bereich der B14 sollen diese daher zugunsten eines gemeinsam genutzten Geländeniveaus zurückgebaut werden. Auch die stadtraumzerschneidende Paulinenbrücke wird abgerissen, im Übrigen mit weitaus weniger einschneidenden Konsequenzen für die umliegenden Gebäude, als man zunächst annehmen würde .
Die Vision für den neuen Straßenzug ist eine urbane Allee, die in erster Linie ein attraktiver, lebendiger öffentlicher Stadtraum ist. Sie zerschneidet die Stadt nicht, sondern verbindet ihre Quartiere sowohl räumlich als auch funktional. Für die Fußgänger ist diese Allee, dank der großzügigen Bürgersteige, auch ein Aufenthaltsraum, der durch öffentliche Nutzungen wie Cafés oder Gewerbe in den Erdgeschossen der neu ergänzten Stadtbausteine, belebt wird.
Der neue Straßenzug durchquert oder säumt verschiedene Bereiche der Stadt: er verläuft durch ein Gründerzeitviertel, den ursprünglich mittelalterlichen Stadtkern, den oberen Stadtgarten mit seinen Kulturbauten sowie den mittleren Stadtgarten und tangiert den unteren Stadtgarten an einem weiteren Gründerzeitviertel. Da sich der neue Straßenzug in den verschiedenen Bereichen jeweils der Umgebung annähert und leicht verändert, werden die unterschiedlichen Stadtbereiche leichter ablesbar. Dadurch entsteht eine zusammenhängende Sequenz von leicht variierten Straßenarchitekturen.
Entlang dieser urbanen Allee werden Plätze ausgebildet, die zugleich Verkehrsknoten sind und jeweils einen eigenen Charakter haben. Die Plätze tragen zur Orientierung bei und verleihen dem Straßenzug, aber auch den umliegenden Quartieren Identität. Eine neue Beziehung zwischen den Stadtteilen wird möglich.
Bei einer infrastrukturell so zentralen Anlage wie der B14 ist eine Betrachtung auch in einem größeren Kontext zwingend. Als Bedingung für die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs muss der öffentliche Nahverkehr in aller Konsequenz ausgebaut werden.
Die Stuttgarter Verbindungsbahn – der seit Jahren schon an seiner oberen Kapazitätsgrenze betriebene S-Bahntunnel zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und der Haltestelle Österfeld – wird gerade von allen sechs Linien der S-Bahn befahren und stellt ein wesentliches, sehr störungsempfindliches Nadelöhr des gesamten Systems dar.
Eine Entlastung der bestehenden Anlage und eine deutliche Vergrößerung der Gesamtkapazität ist möglich, wenn zwischen Hauptbahnhof und dem ehemaligen Bahnhof Heslach auf der sogenannte Gäubahn, eine zweite S-Bahnröhre entsteht, deren innerstädtischer Verlauf zwischen Marienplatz und Hauptbahnhof der B14 folgt. Die bestehenden, nicht mehr notwendigen Rampen und Unterfahrungen unter dem künftigen Straßenprofil liessen sich hierfür nutzen und ausbauen. Im Ergebnis steht mit der neuen Strecke eine schnelle und sehr leistungsfähige Verbindung für die groß-räumliche Anbindung der Innenstadt zur Verfügung. Durch die zweite Stammstrecke können Kapazitäten und Taktungen auf allen S-Bahnlinien erhöht werden, wodurch die Attraktivität der S-Bahn für bisher mit dem Auto in die Stadt fahrende Berufspendler deutlich zunehmen würde. Wichtige, überregional bedeutsame, kulturelle und städtische Institutionen entlang der neuen S-Bahn- Stammstrecke wären mit eigenem Haltepunkt direkt aus dem Großraum erreichbar.
Parallel dazu muss ein starker Ausbau der P+R Infrastruktur erfolgen, um den Zugangsverkehr in die Stadt bereits außerhalb abzufangen. Mögliche neue Standorte für die Einrichtung von großen Parkhäusern sind beispielsweise der Bereich zwischen Schattenring und Rudolf-Sophien-Stift, bestenfalls kombiniert mit einem Haltepunkt an der neuen 2. S-Bahn-Stammstrecke (der ehemalige Haltepunkt Wildpark) und der Wasen, an denen die direkte Anbindung an den ÖPNV möglich ist.
Vorhandene und geplanten Radschnellwege aus dem Umland wurden in die Planung integriert und zu einem durchgängigen Netz verwoben: der komplette Verlauf der neuen B14 ist mit leistungsfähigen, beidseitig verlaufenden Radwegen ausgestattet.
neuer stadtraum B14 in stuttgart
städtebaulicher wettbewerb 2020
in arge mit studio di architettura, in kooperation:
stadt raum verkehr Bircher + Wicki,
Stefan Rotzler Landschaftsarchitekt, Lisa Mühleisen
Plantrafik-Architekten-2.S-Bahnstammstrecke-Stuttgart-Neubau-S-Bahnlinie
Plantrafik-Architekten-2.S-Bahnstammstrecke-Stuttgart-Neubau-S-Bahnlinie
mobilitätskonzept
neckartor
gebhard-müller platz
kulturmeile
österreichischer platz
überlagerung neuer stadtraum/ historischer stadtgrundriss
charlottenplatz
wilhelmsplatz
neuer stadtteil - wohnen am park zwischen neckartor und schwanenplatz